Schusszeichen am Anschuss und was uns das Zeichnen des Wildes verrät
- Hans ARC
- 30. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Der Schuss ist gefallen. Gleichzeitig beginnt für den Jäger jene Phase, die über Erfolg oder Misserfolg der Nachsuche entscheidet: die Beobachtung der Schusszeichen. Sie sind der erste Hinweis darauf, wie der Schuss gewirkt hat, und geben uns Jägern wertvolle Informationen über die Trefferlage. Doch Schusszeichen richtig deutet wollen will gelernt sein. Es erfordert Aufmerksamkeit, Erfahrung und die Fähigkeit, in der Hitze des Augenblicks ruhig und klar zu beobachten.
Die Psychologie des Moments
Im Augenblick nach dem Schuss tobt im Jäger das Jagdfieber: Herzschlag, Erleichterung, Zweifel, Anspannung. Genau dann gilt es, nicht der Emotion, sondern der Erfahrung zu folgen. Wer den Blick vom Glas nimmt, sollte sofort versuchen, die Fluchtzeichen des Wildes im Kopf zu speichern: Sprünge, Bewegungsrichtung, Verhalten.
„Schusszeichen lesen“ ist daher auch Psychologie: Ruhe bewahren, fokussieren, beobachten. Wer in dieser Phase hektisch wird, übersieht entscheidende Details.
Klassische Schusszeichen
Die wichtigsten Schusszeichen nach Trefferlage

Kammerschuss (Herz/Lunge):
Das Stück zeichnet deutlich, zeichnet tief, schlägt mit den Hinterläufen nach hinten aus. Oft folgt ein kurzer Fluchtweg mit deutlicher Schweißfährte, danach verendet das Wild schnell.
Blattschuss
Das Stück bricht häufig am Platz zusammen oder zeigt einen kurzen, heftigen Sprung. Starker Schweiß am Anschuss ist typisch.
Lebertreffer
Das Wild flüchtet langsam, mit hängendem Haupt, oft mit festem Gang. Schweiß ist dunkelrot und reichlich vorhanden.

Weichschuss/Weidwund:
Stück zieht mit krummem Rücken, meist langsam. Fährte oft mit Kitzeln, grünlichem Wundbett und spärlichem Schweiß. Hier ist Geduld für die Nachsuche oberstes Gebot.
Knochenschuss (Laufschuss)
Stück zeichnet mit Ausbrechen, hält das getroffene Bein hoch, schleppt es oder flüchtet auf drei Läufen. Knochensplitter am Anschuss sind ein klares Indiz.

Kopfschuss (Fehlschuss/Äserbereich)
Wild zeigt oft unruhiges Verhalten, schlägt mit dem Haupt, zieht in Schlangenlinien. Schwierig, eindeutig zu deuten.
Krellschuss
Ein Schuss entlang der Wirbelsäule, der das Rückenmark streift, ohne es vollständig zu zerstören. Das Stück bricht sofort zusammen, liegt scheinbar verendet am Platz – richtet sich aber nach kurzer Zeit oft wieder auf und flüchtet schwer krank weiter. Sofortiges Abfangen ist hier zwingend notwendig, um unnötiges Leid zu verhindern.
Am Anschuss lesen
Am Anschuss selbst gilt es, systematisch zu arbeiten:
Anschuss verbrechen, markieren: Sofort mit einem Ast, Hut oder Band kennzeichnen.
Suche nach Schweiß: Farbe, Menge und Spritzerbild verraten viel.
Hellrot, schaumig → Lungentreffer
Dunkelrot, dick → LeberWässrig, grünlich → Weichschuss
Knochensplitter, Haare, Schnitthaare: Länge, Farbe und Struktur geben Hinweise auf die getroffene Körperpartie. Lange, helle Haare → Bauch, Kurze, dunkle Haare → Oberkörper/Blatt, Schwarze Haare → Rücken
Fluchtzeichen: Richtung, Trittsiegel, Bodenverwundung – zusammen mit den Beobachtungen des Schützen ergibt sich ein Gesamtbild.
Fehler vermeiden
Viele Jungjäger machen den Fehler, nach dem Schuss sofort loszulaufen. Dabei ist es entscheidend, dem Wild Zeit zu lassen. Ein krankgeschossenes Stück braucht Ruhe, um sich zu legen – zu frühes Nachgehen vergrämt es und verlängert die Nachsuche unnötig.
Auch gilt: Nicht am Anschuss „herumtrampeln“! Jeder Tritt zerstört wertvolle Zeichen für den Nachsuchengespannführer.
Die Arbeit des Hundes
Für den Hundeführer ist der Anschuss die wichtigste Informationsquelle. Ein sauber markierter, unverfälschter Anschuss mit klaren Beobachtungen des Schützen ist oft entscheidender als die spätere Fährte.
Der Hund „liest“ die Geschichte ohnehin mit seiner Nase – aber der Mensch muss ihm die richtigen Kapitel aufschlagen.
Schusszeichen sind für eine Jäger wie eine Sprache – wer sie versteht, kann die Geschichte des Schusses lesen. Sie erfordern Beobachtungsgabe, Ruhe und Erfahrung.
Doch für den Jäger bedeuten sie zweierlei:
Sicherheit, dass das Wild weidgerecht getroffen wurde.
Verantwortung, die richtigen Entscheidungen für die Nachsuche zu treffen.
Und so sind Schusszeichen am Anschuss mehr als bloße Indizien. Sie sind ein Spiegel der Jagdethik: aufmerksam, respektvoll und gewissenhaft.




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