Tarnung, System, Kopf: Warum Sitka Gear-Bekleidung mehr als Camouflage ist!
- Hans ARC
- 16. Okt.
- 5 Min. Lesezeit

Der Morgen hängt noch kalt im Bergwald. Feuchte Stille, dann das leise Knacken eines Astes – und das Herz schlägt schneller. Genau in diesem Moment entscheidet nicht nur Material, sondern auch Mindset. Der US-amerikanische Jagdausrüster Sitka Gear baut Bekleidung als System fürs Bewegen, Ausharren, Entscheiden – und zielt damit ebenso auf deine Psyche wie auf Wind, Regen und Blickfeld des Wildes.
Wer steckt hinter Sitka Gear?
Sitka Gear wurde im Jahr 2005 von Jonathan Hart (mit-)gegründet, um Bergsport-Technologie in die Jagd zu bringen: leichter, technischer, systemischer statt einfach nur Baumrinde-Optik auf Baumwolle-Bekleidung zu drucken. Bereits 2009 übernahm W. L. Gore & Associates – der Konzern hinter GORE-TEX – die Marke. Seither ist Sitka Gear so etwas wie das „Entwicklungslabor“ für jagdliche Funktionsbekleidung im Gore-Kosmos und viele neue Gore-Technologien (Membranen, Laminat- und Isolations-Know-how) werden erstmals in Sitka Gear-Textilien ausprobiert.

Für wen ist Sitka Gear gedacht?
Für Jägerinnen und Jäger, die Systemdenken schätzen: Verschiedenen Bekleidungsschichten aus Base-, Mid- und Shell-Lagen, angepasst an Revier, Wetter, Schussdistanzen und Bewegungsprofil. Sitka Gear gliedert die Kollektionen nach Jagdarten – Big Game, Whitetail, Waterfowl und Turkey .
Big Game – „Großwildjagd“
So bezeichnet Sitka Gear die Kollektion für alle Jäger, die großem Schalenwild wie Wapiti, Elch, Gams, Steinbock, Rotwild oder auch Wildschafe nachstellen wollen. Diese Jagden spielen sich meist in offenem, gebirgigem oder weitläufigem Gelände ab – oft mit langen Zustiegen, großen Höhenunterschieden und wechselhaftem Wetter. Die Kleidung ist leicht, robust, stark atmungsaktiv. Das System ist auf Bewegung, Temperaturwechsel und Wind ausgerichtet – ideal auch für alpine Reviere in Europa. → Entspricht bei uns der Berg- und Hochwildjagd.

Whitetail – „Weißwedelhirschjagd“
Damit liefert Sitka Gear die ideale Bekleidung für Jagden vom Hochsitz auf den amerikanischen Weißwedelhirsch – in Misch- oder Laubwäldern, auf engen Distanzen, oft über mehrere Stunden regungslos. Die Bekleidung ist daher sehr geräuscharm, warm, mit starkem Fokus auf Sitzkomfort und Geruchsreduktion (da viele Wildarten extrem witterungsempfindlich sind). → Entspricht bei uns der Ansitzjagd auf Reh- oder Rotwild im Wald.
Waterfowl – „Wasserwildjagd“
Mit dieser Kollektion bedient Sitka Gear all jene Jäger, die sich auf die Enten- und Gänsejagd in Feuchtgebieten, Schilf, Überschwemmungsflächen oder auf Feldern spezialisiert haben. Die Jagdbekleidung ist daher absolut wasserdicht und winddicht, mit integrierten Taschen, Tarnung für Schilf- oder Marschlandschaft, häufig mit Wathosen-Systemen kombinierbar. → Vergleichbar mit Entenjagd im Schilf oder an Seen in Österreich.
Turkey – „Truthahnjagd“
Eine spezielle Bekleidungslinie für die Frühjahrsjagd auf Wildtruthähne, meist in bewaldeten oder halboffenen Gebieten, mit Lockrufen und Tarnung am Boden. Die Kleidung ist sehr leichte und flexible mit Tarnung für Frühjahrsgrün, viel Bewegung und häufigem Positionswechsel. → Entspricht bei uns am ehesten einer Bodenpirsch auf Rehwild im Frühling oder Sommer, wo maximale Tarnung und Bewegungsfreiheit gefragt sind.
Psychologischer Effekt: Und wenn das System vorhersehbar funktioniert (Feuchtigkeitsmanagement, Temperaturführung, Geräuscharmut), sinkt die kognitive Last. Du triffst ruhiger, wartest länger, bewegst dich gelassener – weil Bekleidung keine Unsicherheit mehr auslöst. Vertrauen in Ausrüstung = mehr Fokus auf den Moment.
Optifade: Tarnung nach Sehphysiologie – nicht nach Baumrinde
Gemeinsam mit Wissenschaftlern entwickelte der Gore-Konzern das Optifade-Tarnmuster: Statt Äste, Blätter oder Steine zu imitieren, wurden die Muster an die Tierwahrnehmung angepasst (Makro-/Mikro-Muster, Kontraste, Bewegung, Distanzen). Ziel ist nicht „unsichtbar“ zu sein, sondern als Räuber nicht erkannt zu werden – selbst wenn man gesehen wird.
Die wichtigsten Optifade-Muster und ihre Einsatzlogik
Open Country – für offenes, felsig-kahles Gelände, weite Distanzen ab 40–50 m: Berg, Hochland über der Waldgrenze, Geröll, Trockenalpin.
Subalpine – für vegetationsreiches, bodennahes Jagen, Stalken/Anpirschen bis 50 m: Latschenfelder, Jungwald, Hänge.
Elevated II – optimiert für Sitz in Höhe: Kontrast von Himmel/Laubdach, Engagement bis 80 m und darunter. Für Rehwild-/Weißwedel-Szenarien im Wald- und Waldrandbereich.
Waterfowl Marsh – für Schilf, Stoppelfeld, Marsch, Layout-Blinds und variable Entfernungen gegen am Himmel kreisende Vögel.
Waterfowl Timber – überstauter Hartholz-Wald, dunkle Kontraste, kurze Distanzen 10–40 m beim Einfallen.

Warum das zählt: Das Muster muss zum typischen Blickwinkel der Beute passen (von oben bei Wasserwild, horizontal bei Schalenwild) und zur Distanz, in der dich das Wild als „zusammenhängende Form“ erkennen könnte.
Systembaukasten: Vom steilen Aufstieg bis zum Sturm
Sitka Gear denkt bei der Herstellung seiner Jagdbekleidung in Phasen: Zustieg → Aktivität → Ansitz → Rückweg. Entsprechend sind die Lagen auf Feuchtetransport, Geräuscharmut, Wetterblock und Wärmemanagement getrimmt. Für Waterfowl kommen wasserdichte, winddichte Shells (Blind, Wathosen-Umfeld), für Big Game atmungsaktive Softshells und isolierte Midlayer – alles auf die jeweiligen OPTIFADE-Muster gemappt.
Alpine Praxis (z. B. Gams, Rotwild):
Zustieg steil & schweißtreibend → leichte Unterwäsche + atmungsaktive Überzieher, Packgewicht zählt.
Kammwinde & Wetterwechsel → Hardshell in Reserve (Gore-Know-how).
Langes Glasen → leise Oberfläche, zielgerichtete Isolierung an der Core-Zone.
Das reduziert Thermostress und damit mikromotorische Unruhe (etwa Kältezittern) – ein mentaler Vorteil im Moment der Entscheidung.
Der psychologische Aspekt: Bekleidung als Ritual der Konzentration
Gute Jagdbekleidung tut zwei Dinge mit dem Kopf:
Vorweggenommene Kontrolle: Wer Schweißmanagement, Geräuscharmut und Wetterschutz „im Griff“ hat, antizipiert Situationen realistischer. Das senkt Puls und verhindert Aktionismus.
Klarer Fokuskanal: Wenn du nicht an kalte Finger, triefenden Nacken oder raschelnde Ärmel denkst, bleibt Aufmerksamkeit für Wind, Wild, Winkel.
Sitka Gear spielt diese Karte konsequent – vom Tarnmuster, das „falsch“ gesehen wird (dich nicht als Räuber kodiert), bis zum Lagenprinzip, das ohne Trial-and-Error greift.

Warum europäische Jäger Sitka Gear kritischer sehen
In den deutschsprachigen Ländern stößt Stika Gear dennoch noch immer auf geteilte Meinungen. Zum einen, weil die Tarnmuster amerikanisch anmuten – digital, technisch, auffällig – und damit nicht der traditionellen Ästhetik der hiesigen Jagd entsprechen, die von gedeckten Grüntönen, Loden und unauffälliger Optik geprägt ist. Für viele europäische Jäger ist Jagd auch Ausdruck von Kultur, nicht nur Funktion.
Hinzu kommt, dass in unseren Revieren die Jagd oft stärker mit gesellschaftlicher Repräsentation verbunden ist: Man trifft andere Jäger, Förster, Gäste. Tarnung hat hier weniger Bedeutung als Anstand und Erscheinung. Ein pixelartiges Muster wirkt schnell „militärisch“, und das schreckt ab.
Ein weiterer Punkt ist die rechtliche und jagdpraktische Situation: In Mitteleuropa jagen wir seltener aktiv auf große Distanzen, sondern eher auf kurze, planbare Entfernungen – oft vom Ansitz. Hochleistungs-Camouflage bringt hier weniger objektiven Vorteil als in offenen nordamerikanischen Landschaften.
Und schließlich spielt auch die Tradition des Materials eine Rolle: Wolle, Loden und Baumwolle vermitteln ein Gefühl von Heimat und Geschichte. Sitka Gear dagegen verkörpert Hightech, Labor, Funktion – für manche faszinierend, für andere zu weit weg von der Romantik der Jagd.
Kleidung als mentale Vorbereitung
Ein erfahrener Jäger weiß: Die Jagd beginnt nicht, wenn man durchs Glas blickt, sondern wenn man sich anzieht. Der Griff nach der vertrauten Jacke, das Einrasten des Reißverschlusses, das feste Band der Kapuze – all das ist Ritual. Sitka Gear übersetzt dieses Ritual in Technik.
Das Ziel ist nicht, schön auszusehen, sondern funktional ruhig zu werden. Jedes Detail – leise Stoffe, präzise Nähte, durchdachte Taschen – trägt dazu bei, dass nichts ablenkt. Wer nicht an frierende Finger oder raschelnde Ärmel denkt, hört den Wind und sieht das Wild.
Die Bekleidung wirkt damit wie eine mentale Schutzschicht. Sie hält nicht nur Regen ab, sondern auch Unruhe. Viele Sitka Gear-Träger berichten, dass sie länger stillsitzen können, weniger Fehler machen, konzentrierter bleiben. Man könnte sagen: Sitka Gear kleidet nicht nur den Körper, sondern formt die Haltung.
Wo gibt es Sitka Gear zu kaufen?
Entweder direkt bei Sitka Gear im Online-Shop. In Europa wird Sitka Gear von Bowland Hunting mit Sitz in Spanien importiert, in Österreich hat Jagdausstatter Alp-Jagd die Highend-Jagdbekleidung im Sortiment und in Deutschland etwa der Naturwerk-Shop oder der Pirscher Shop.




Kommentare